Alltagsgeschichten – Die lieben Verwandten

Alltagsgeschichten – Die lieben Verwandten

 

Hallo, ich bin 52 Jahre alt, im Jahr 1999/2000 wurde bei mir Lupus Erythematodes festgestellt, Mitte 2000 präziser als SCLE mit Organbeteidigung. Diese Krankheit hatte ich wohl schon längere Zeit, denn die typischen Hauterscheinungen hatte ich seit einigen Jahren. Ein Hautarzt meinte, dass wären Altersflecken. Aber ich wurde nach der Diagnose behandelt so gut wie es eben ging, denn ich war zu der Zeit voll im Beruf, Techniker für Betriebsorganisation und mußte zu meinem Büro täglich 100 Km hin und wieder 100 Km zurückfahren. Ein langer Tag und Streß ohne Ende.

Wenn ich schon mal erwähnte, dass es mir immer schwerer fällt meinem Beruf nachzugehen dann hörte ich immer wieder auch von meinen Eltern und meinem Bruder: „Stell dich bloß nicht so an.“ 

Im Jahr 1999 kam dann ein Zusammenbruch meiner Gesundheit. Herzinfarkt, Nerven, Immunsystem alles brach ein, ich war auf der Intensivstation eines Krankenhauses. Und selbst hier sagte man mir: „Stell dich mal bloß nicht so an.“ 

Von der Intensiv kam ich dann in eine Rheumaklinik, die entließen mich ohne Besserung und wieder hörte ich „stell dich nicht so an, du simulierst doch nur.“

Dann kam ich nur 14 Tage nach der Entlassung aus der Rheumaklinik zur Kur, nach Bad Bramstedt. Nach nur 4 Tagen wurde mir vom Arzt mitgeteilt, dass ich mich darauf vorbereiten sollte, dass ich nicht mehr zur Arbeit gehen würde. Ich wurde nach 3 Wochen Kuraufenthalt als weiterhin arbeitsunfähig entlassen und mußte mich bei zwei Gutachtern der Rentenversicherung vorstellen. 

Höhnisches Gelächter meiner Eltern, meines Bruders und des Rests der Sippschaft. „Dich kriegen die wieder an die Schüppe“. Diesen Satz werde ich wohl nie vergessen.

Dann ging alles ganz schnell, zwei Gutachten, eine Meinung und ich bekam die volle Erwerbsminderungsrente auf Dauer.

„Das verstehe ich aber gar nicht, Du nutzt die Sozialsysteme aus, Du hast doch nur simuliert.“, das bekam ich zu hören – von meiner Sippschaft. 

Gut diese Krankheit hat keine Lobby, so wie es die Krebspatienten haben, diese Krankheit kennt kaum jemand, aber jeder kann sich doch informieren meine ich. Oder ist es etwa Neid, Mißgunst die zu solcher Reaktion führte ?

Seitdem ist es ruhig geworden, Kontakt zu meinem Bruder, meinen Eltern, dem Onkel, nein, den gibt es nicht mehr. Eigentlich schade, aber so kann es auch gehen.

Dafür habe ich Bekanntschaften von Leidensgenossen aktivieren können, hier in Deutschland, in Australien, geht sehr gut mit dem Internet.

Nur wie kann man als männlicher Patient seiner Verwandtschaft beibringen, dass Lupus heimtückisch ist, dass die Gutachter eine Entscheidung zu meinem Gunsten gefällt haben?

Keine Ahnung, aber ich kann damit leben. 

Schöne Grüße an die, denen es genau so geht, nur nicht den Kopf hängen lassen. 

Theo1956

Alltagsgeschichten - Die lieben Verwandten
Bild von vectorpocket auf Freepik

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1 Kommentar zu „Alltagsgeschichten – Die lieben Verwandten“

  1. Es tut mir wirklich ernsthaft Leid für Dich. Auch wenn Mitleid wenig nützlich ist, das weiß ich. 😉
    Je mehr man einstecken muss, desto mehr lernt man wohl, „damit zu leben“. Aber Status Quo ist nicht gleich Optimum …

    Ähnliches kenne ich auch. Vor relativ kurzer Zeit, gegen Ende meines Studiums, ging es rapide Bergab mit jeglicher Leistungsfähigkeit, die „Fatigue“ fühlte sich schon chronisch an, physisch, wie psychisch.
    Während der Masterarbeit (Abschlussarbeit) dann ein Krankenhausaufenthalt, Kardiologie, dann Rheumatologie, Diagnosestellung SLE, Therapiebeginn. Da wurde gefühlt erst einmal alles platt gemacht, was noch an Reserven vorhanden war. Studium überzogen, Förderungsgeld weg, Abschlussnote verhauen, ein extra Schuldenhaufen.
    Bis heute, nach >2 Jahren, die Therapie/Medikation noch ständig wechselnd, weil es nie so läuft, wie erhofft. Meist tröpfelt es nicht einmal.
    Die Familie ist beschämt. Aus dem einst arbeitswilligen und -wütigen Sportler mit gut laufendem Studium, gutem Nebenjob (Softwarefirma) schon seit Schulzeiten und akzeptabler Zukunftsprognose wurde ein „herumgammelnder“, halbtags arbeitender, ständig niedergeschlagener, körperlich degenerierter Taugenichts. Er bekommt sein Leben nicht in den Griff und hat viel aufzuholen, wenn er seines Alters noch irgendwann gerecht werden will. Eine Enttäuschung.
    Jüngere Geschwister haben ihn auf dem Lebensweg längst überholt – seine Uhr blieb stehen, bevor der „Aufbau“ des eigenen Lebens wirklich losging. Damit können Eltern sich nicht brüsten und fragen sich, welche Einflüsse dieses Kind wohl so verhunzt haben.
    … Und alles nur wegen „dieser Rheumasache“, die niemand recht versteht, aber man informiert sich auch nicht, denn andere Leute mit Rheuma kommen ja auch klar. Die haben mal Gelenkprobleme, dann gibt es Salben oder Bandagen und alles läuft wieder. Das kann doch mit seinem Schreibtischjob nichts zu tun haben. Er ist nur faul und versucht es abstrus zu rechtfertigen.

    Nunja, ich bin beschäftigt genug damit, das Beste aus meiner Situation zu machen und auch, wenn ich vllt. keine unerfahrenen Höhen mehr erreichen werde, soviel Lebensqualität herauszuholen, wie möglich.
    Ich mag meine Familie immer noch sehr, aber die Besuche und Unterhaltungen waren nie das Allergrößte, man kommt also dennoch gut zurecht. 🙂

    Schöne Grüße

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