Sabine, Jg. 1976

Die Suche nach Diagnose und geeigneter Therapie

Bei mir ging’s relativ rasch, sowohl der eigentlich Ausbruch der Krankheit, als auch die Diagnose. Im Sommer 2000 machten wir im Eiltempo einen kompletten Wohnungsumbau. Das war noch während meiner Studienzeit und just in den Wochen, in denen wir „am Bau schafften“ machte ich noch einen Ferienjob. Schon während der Umbauarbeiten hatte ich ständig geschwollene Gelenke, meine Finger ließen sich kaum noch bewegen ohne intensive „Aufwärmarbeit“. Manchmal fiel mir auch ein Werkzeug einfach so – plumps – aus der Hand bevor ich noch mitbekam, was eigentlich los war. Natürlich schoben wir das alles auf die für so eine zarte Studentin doch relativ anstrengende Arbeit; nebenbei noch der Ferienjob. Es war einfach eine stressige Zeit, körperlich aber sicher auch psychisch. Anfang September waren wir dann fertig und machten es uns in unserem neuen Heim so richtig gemütlich. Als die Uni im Oktober wieder losging, und meine Gelenkschmerzen eher schlimmer anstatt besser wurden (ich kam kaum noch die Treppen am Bahnhof rauf und runter), ging ich mal zum Hausarzt. Der tippte auf Rheuma (hehe, knapp vorbei ist auch daneben!), ließ einen Blutbefund machen usw. Der Rheumafaktor war so bei 18, weitere Anzeichen von Entzündungen allgemein, wir kennen das ja. Also die Diagnose Rheuma, zur Sicherheit aber bitte auf die Rheumaambulanz. Es war mittlerweile Ende November. Ich telefoniere herum, die Auskunft der Rheumaambulanz am AKH (an die ich vom HA verwiesen worden war): diese Ambulanz gibt’s nicht mehr, andere Krankenhäuser anrufen oder zum niedergelassenen Rheumatologen gehen, davon gäbe es zwei in der Stadt. Ich fand ein anderes Krankenhaus, frühester Untersuchungstermin Ende Februar. Damit gab ich mich nicht zufrieden (was wohl gut war, wenn man die weitere Entwicklung meiner Krankheit betrachtet…). Ich ergatterte einen Termin beim Rheumatologen für Anfang Dezember. Der erste Befund dort lautete auf Polyarthritis bei positiver Chlamydienserologie. Ich bekam Antibiotika und dachte das war’s dann, also bloß eine Infektion, hurra! Nochmal zur Kontrolle kurz vor Weihnachten, es wurde wieder Blut abgenommen, um zu sehen, ob die Bakterien schon gekillt wären; das war zumindest die Auskunft des Rheumatologen. Mittlerweile war ich schon ziemlich fertig, ständig erhöhte Temperatur, dann auch noch eine starke Erkältung, ich fühlte mich durch und durch krank. Meine Hände waren morgens oft so deformiert, daß ich dachte, ich melde mich zur Freakshow. Dazu schmerzende Finger- und Zehenspitzen, eigenartige „Knödel“ an den Ellenbogen, eigenartige rote Flecken im Gesicht, ich sah oft doppelt oder ein heller kleiner Punkt flitzte mir stundenlang durchs Bild. Weihnachten ging noch, Silvester dann der totale Zusammenbruch, ich hatte in allen Gelenken starke Schmerzen, vor allem plötzlich auch in den Großen. Konnte weder sitzen noch liegen. Am 2. Jänner wieder zum Hausarzt um Schmerzmittel (hatte vom Rheumatologen Vioxx gekriegt zum Abfangen der ärgsten Schmerzen). Witzigerweise hatte der schon den Befund vom Rheumatologen (die Blutwerte vom letzten Test vor Weihnachten, offfenbar hatte der Rheumatologe nicht nur auf das Abklingen der „Infektion“ gecheckt, sondern auch eine ANA angefordert…) am Tisch, als ich ins Behandlungszimmer gerufen wurde. Er machte ein Gesicht, daß mir sofort klar wurde: da hat’s was. Er dachte, ich wüßte schon, was ich hätte und redete drauf los von wegen Kollagenose, Basistherapie, Kortison. Ich weiß nur noch, bei mir drehte sich alles, ich wußte ja noch nicht mal, das der Befund schon da war und dachte, der verwechselt mich. Kann dem HA wenig Vorwurf machen, er dachte ja, ich wüßte schon worum es ging. Naja, sofort wieder einen Termin beim Rheumatologen ausgemacht, der allerdings erst wieder Mitte Jänner vom Urlaub zurück war. Ich schluckte Schmerzmittel und versuchte im Internet ein wenig mehr über diese eigenartige Krankheit zu finden, die ich da angeblich haben sollte. Irgendwie kriegte ich die Uni auf die Reihe (jede Menge Referate fällig nach Weihnachten). Der Rheumatologe machte ein Gesicht, als müßte er mich schon für tot erklären. Stammelte immer nur herum und sagte schließlich er wolle mich in die Rheuma-Ambulanz schicken, um ein paar Blutwerte zu checken. Er redete irgendwas von „Risiko in der Schwangerschaft abklären“, ich kannte mich überhaupt nicht mehr aus. Außerdem rief er persönlich für mich im AKH an und machte einen Termin aus (erstaunlicherweise existiert die berühmte Rheuma-Ambulanz seither für mich). Ich mußte noch eine wichtige Prüfung verschieben, um den Termin wahrnehmen zu können. Dort allerdings fühlte ich mich zum ersten Mal wirklich richtig aufgehoben. Es gab mehrere Ärzte, die mir aufmerksam zuhörten, endlich wurde auch mal was getan. Klingt vielleicht lächerlich, aber als endlich mal diese „normalen“ Dinge wie Röntgen bei mir gemacht wurden, da fühlte ich mich zum ersten mal richtig ernst genommen. Es ging auch nicht darum irgendein dubioses „Schwangerschaftsrisiko“ abzuklären, den Arztbrief hat dort jeder gleich zur Seite gelegt. Mittlerweile weiß ich, daß es um die Antikardiolipid-Antikörper ging… Naja, das nur nebenbei. Ich hatte schon vom Rheumatologen Prednisolon verschrieben bekommen. Er meinte, Resochin wäre ein Blödsinn, das hilft gar nichts. Die 5 mg Cortison, die er für richtig hielt, halfen halt leider auch nichts und im Krankenhaus setzte man mich gleich rauf auf 20. Es ging mir aber immer schlechter und schlechter, ich war dann noch einmal auf eigene Faust in der Ambulanz weil ich mittlerweile vor Schmerzen gar nichts mehr tun konnte. Es war eine Vasculitis dazu gekommen und nachts fühlten sich meine Finger- und Zehenspitzen an, wie von tausend Nadeln durchbohrt. Ich war am Durchdrehen und mein Freund auch. Der brauchte ja auch seinen Schlaf…An dem Tag entschied sich dann so einiges. Der diensthabende Arzt (zufällig der Leiter der Abteilung) wies mich sofort ein, meine wichtige Prüfung somit wieder ins Wasser gefallen. Er hatte den Verdacht, daß sich Mikroembolien gebildet hätten und ich endete erstmal eine Nacht am Tropf, Endoxan. Am nächsten Tag stellte sich heraus, daß das Ganze wohl etwas übertrieben war, keine Embolien sondern eben nur massive Entzündung der winzigen Blutgefäße. Cortison wurde raufgesetzt auf 60 glaube ich, daneben Resochin begonnen. Ich kriegte auch Marcumar bzw. während der 5 Tage im Krankenhaus auch Heparin subkutan. Alles in allem war die Chemotherapie sicher zu stark, aber ich hatte wenigstens keine Nebenwirkungen und endlich auch keine Schmerzen mehr. Ich wurde auf Herz und Nieren durchgecheckt (seither weiß ich woher diese Redensart kommt!), Lungenröntgen, usw. und die Diagnose SLE stand damit endgültig fest. Es war eigentlich eine ziemliche Erleichterung nach all dem Hin und Her. Die folgenden Monate konnte ich dann langsam die Cortisondosis reduzieren, Resochin wirkte wunderbar, wegen der Antiphospholipid-AK zur bekomme ich zur Sicherheit noch ASS. Im April fuhren wir sogar schon für ein paar Tage nach Brüssel. Ich fühlte mich immer noch krank und angeschlagen, aber wenigstens hatte das alles einen Namen, ich fühlte mich gut betreut und einigermaßen sicher. Meine endgültige Diagnose hatte ich also im Februar 2001 bekommen. Im Dezember 2001 kriegte ich mein Studium fertig, am Tag nach der Abschlußprüfung konnte ich das Cortison endgültig absetzen. Leider schrie mein Augenarzt heuer im Jänner laut Alarm wegen dem Resochin, daher mußte ich es absetzen und bin wieder auf Prednisolon. Meine generell weniger hektische Lebensweise (während des Studiums habe ich fest gearbeitet, dazu wohnte ich nicht am Studienort, daher lange Zugfahrten ein paar Mal pro Woche, dazu noch der übliche Prüfungsstreß…) hilft mir jetzt schon sehr. Bis vor Kurzem hatte ich noch in einer Bibliothek gearbeitet, das war zwar ok, jetzt wo ich von zuhause arbeite merke ich aber, daß es mir wieder ein Eck besser geht. Generell versuche ich, so normal wie möglich zu leben, ich glaube das ist auch der beste Ratschlag an alle Lupis. 

Kleine Ergänzung dazu: Im August 2003 hatte ich einen Schub. Erklärbar aus Stress im Job, Hitze usw. oder auch einfach so. Jedenfalls wurde zuerst nur mit einer höheren Cortisondosis darauf reagiert, da zu dieser Zeit noch ein Kinderwunsch dazu kam und man nicht sofort mit
schwangerschaftsunverträglichen Medikamenten reingehen wollte. Im Dezember war es dann aber so schlimm mit den Gelenkschmerzen, dass ich auf Imurek umgestellt wurde. Das wirkte erst mal gar nicht, also Dosis erhöht, erhöht, erhöht. Im April war es immer noch nicht besser, mittlerweile beschränkten sich die Schmerzen zwar auf die rechte Hand und Schulter, aber ich habe dann mal ordentlich auf den Putz gehauen im Krankenhaus. Letztendlich wurde meine Cortisondosis noch mal rauf auf 50 mg gesetzt, für drei Tage, dann wieder schnell reduziert und das Azathioprin endgültig auf die höchstmögliche Dosis
gesetzt. So weit so gut. Das Leben mit Lupus hört mit der Diagnosefindung leider nicht auf. Es kann sich alles quasi von heute auf morgen ändern und dann geht die „Behandlungssuche“ los ;-).

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