chronische Erkrankung – was nun
Nachdem ich endlich einen Namen für all meine gesundheitlichen Probleme hatte, war ich zunächst erleichtert. Und ich glaube, auch ein gesunder Mensch kann dieses Aufatmen nachvollziehen. Da rennt man sieben Jahre mit merkwürdigen Beschwerden rum, fragt einen Arzt nach dem anderen, glaubt manchmal schon selbst, dass man spinnt und auf einmal ist man ein „anerkannter“ Kranker. Es ist schon eine unglaubliche Erleichterung, zu wissen und bestätigt zu bekommen, dass man sich in seiner Körperwahrnehmung nicht vollkommen getäuscht hat, dass man sich nicht irgendwelche Sachen einbildet usw. Noch heute zweifele ich sehr schnell an mir, wenn ein Arzt meine Einschätzung von Vorgängen in meinem Körper nicht nachvollziehen kann und ich muss mir einfach häufig vorbeten, dass ich es besser weiss, weil es eben mein Körper ist. Und meinem Körper geht es manchmal schlecht, auch wenn die Laborbefunde etwas anderes sagen.
Nach der Erleichterung habe ich Informationen „gefressen“. Leider hatte ich zu dem Zeitpunkt keinen Arzt, der mich damit gefüttert hätte. Und so habe ich nach Literatur gesucht und im Internet recherchiert. Bis heute kann ich sagen, dass ich fast alles was ich über Lupus weiss, selbst herausfinden musste. Nicht zuletzt das war der Anstoss dafür eine solche Seite zu veröffentlichen. Den Austausch mit anderen Betroffenen fand und finde ich sehr wichtig und da ich mich bis heute nicht aufraffen konnte in eine Selbsthilfegruppe zu gehen, ist für mich das Internet das beste Medium.
Dann kam eine ziemliche Selbstmitleidphase. Man sollte nicht unterschätzen, wie sehr eine Erkrankung das Selbstbild und auch das Selbstbewusstsein beeinflusst und es ist völlig normal, dass man sich fragt, welchen Wert man noch hat, wie man so krank noch attraktiv für den Partner sein kann, wie es weitergehen soll, wenn man sich der Arbeit und dem bisherigen Alltag nicht mehr gewachsen fühlt. Und so weiter und so weiter. An schlechten Tagen tauchen solche Fragen noch immer auf, aber im Allgemeinen habe ich mich arrangiert.
Bis heute ist es ein Problem für mich den geeigneten Moment zu finden, über die Erkrankung zu sprechen. Einerseits gehört sie so unabdingbar zu meinem Leben, dass ich mich eigentlich so vorstellen müsste „Guten Tag, ich bin Antje und habe Lupus“, andererseits haben viele Leute Berührungsängste und man will ja auch nicht immer nur als „die Kranke“ auftreten. Da habe ich den richtigen Mittelweg noch nicht gefunden.
Schwer fällt mir auch noch immer, mal fünfe gerade sein zu lassen. Mich zu entspannen, obwohl Dinge noch nicht erledigt sind. Auszuruhen, wenn eigentlich anderes wichtiger wäre, aber ja doch nicht ist. Und manchmal mache ich auch ganz bewusst Dinge, die mir nicht gut tun, weil sie mir eben wichtig sind und ich meine mit den Konsequenzen leben zu können.
Ich glaube, es gibt keine Patentrezepte, wie man mit Krankheit umgeht. Manchem wird es helfen, die Erkrankung so gut wie möglich zu ignorieren, manche toben sich auf Webseiten aus 😉 und ein anderer wird einen anderen Weg gefunden haben.
Und die Wege ändern sich auch im Laufe der Zeit, mit dem Älterwerden, mit Zu- oder Abnahme körperlicher Probleme. Mit den Ärzt*Innen, die einen begleiten. Mit Veränderungen im Umfeld, in der Familie. Mit Kindern und Partner*Innen, mit Verlusten und Gewinnen. All das nimmt Einfluss. So bleibt es eine ständige Anpassung.
chronische Erkrankung – was nun
Themen, die einen auf jeden Fall dauerhaft begleiten:
- finanzielle Absicherung, Rente, Berufstätigkeit, Pflegegeld, Schwerbehinderung
- Familienplanung
- Medikation
- Arztsuche
- Umgang mit Krankheit
- Umgang des Umfelds mit Krankheit
Antje, SLE seit 1993