Helfen, wenn es eigentlich nicht geht

Zur Einleitung muss ich vielleicht dazu sagen, dass ich mal bei den Pfadfindern war. Also pro Tag eine „Gute Tat“ zu absolvieren habe. Jedenfalls scheine ich das trotz Lupus immer noch in mir drin zu haben. Ich möchte hier ein paar Gedanken zum Thema, „helfen, wenn’s eigentlich nicht geht“ anbringen.

Helfen, wenn es eigentlich nicht geht
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Ein sehr typisches Erlebnis: Ich bin in einer anderen Stadt, habe dort eine Lupi-Bekannte besucht. Den ganzen Tag haben wir uns über die Krankheit, den täglichen Umgang damit und die kleinen Alltagsproblemchen unterhalten. Jetzt möchte ich nach Hause fahren und bin am Bahnhof auf dem Weg zum Regionalbahnsteig. Weil ich ein wenig zu früh dran bin, sehe ich wohl aus, als hätte ich Zeit… Ein alter Mann mit Fahrrad zupft mich am Ärmel. Er ist gekleidet wie ein Penner und sein Rad ist vollgehängt mit Plastiktaschen. „Au Backe“, denke ich, „komm‘ mir nicht zu nahe, ich bin immunsuprimiert!“ Er hat keine Zähne, was die Verständigung etwas schwierig macht. Eigenartigerweise sind seine Tüten aber neu und der erwartete Pennergeruch bleibt auch aus. Vielleicht hat mich das so erstaunt, dass ich auf seine Frage, ob ich sein Rad zu seinem Zug befördern kann bloß „Klar!“ sagen kann. Also schleppe ich seinen rostigen Drahtesel die Stufen rauf. Der Alte tut mir leid, was soll ich machen. Er schafft es kaum selber die Treppe hoch, ich habe eindeutig mehr Kraft als er! Meine Handgelenke laufen heiß… ich verfluche mich selbst, denn es stellt sich heraus, dass der Alte auch noch gesprächsbedürftig ist. Meine Knie schlottern und ich habe Angst, gleich hintenüber die Treppe runterzufallen. Endlich bei seinem Zug angekommen. Das Rad muss auch noch in den Waggon gehoben werden. Da streike ich aber und bitte einen Bahnbediensteten um Hilfe. Soll der Alte denken, was er will, aber die Treppen in den Waggon rauf, das übersteigt meine Kräfte ganz einfach. Zumal da ja auch noch all die Tüten herumbaumeln. Warum habe ich nicht schon am Beginn einfach gesagt: „Es tut mir leid, ich bin sehr krank und schaffe so etwas nicht.“ Es wäre doch schon hilfsbereit genug gewesen, einen Bahnbediensteten ausfindig zu machen, der dem alten Herrn hilft. Dabei hatte ich noch mit meiner Bekannten darüber gesprochen, dass wir uns so oft von solchen Situationen überrumpeln lassen…

Andere Episode. Im Bus. Schafft Ihr es eigentlich, NICHT den Sitzplatz für ältere Leute frei zu machen? Ich habe es EINMAL versucht und bin auf eine zickige Alte gestoßen, die meinen Einwand: „Entschuldigen Sie bitte, ich habe heute starke Schmerzen und möchte bitte sitzen bleiben, vielleicht können Sie ja den Platz da drüben nehmen“ gar nicht gehört hat. Ich konnte mir ihre Tirade von wegen die jungen Leute und so anhören und war einfach nicht in der Stimmung, einen Streit anzufangen. Das sind die Tage, wo ich gerne einen Behindertenausweis hätte, den ich den Leuten dann unter die Nase halte… Ein anderes Mal hat mir doch tatsächlich ein kleiner Kavalier seinen Platz angeboten. Ich war so perplex, dass ich dankend abgelehnt habe! An dem Tag ging es mir allerdings auch gut.

Noch ein Beispiel: Krankenhaus. Mir ist übel, ich bin auf dem Weg nach Hause von der Ambulanz, mir fehlen 7 Röhren Blut, die Ohren sausen. Eine verzweifelte Frau kommt auf mich zu. Sie sucht eine bestimmte Abteilung. Ganz offensichtlich ist sie vom Land, nicht mehr jung und schon die Benützung des Aufzugs stellt ein erhebliches Problem für sie dar. Naja, da suche ich ihr die Abteilung von der Übersichtstafel und begleite sie hin, auch wenn mir im Lift schwarz vor Augen wird und ich eigentlich nur noch an die Luft will. Als alter Krankenhaushase habe ich eben das Gefühl, kompetent zu sein und damit verpflichtet, zu helfen… auch wenn’s gerade gar nicht gut ist für mich.

Mausilope aus Linz

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